Lisa-Marie Grzeskowiak ist Produktmanagerin für Niederdruck-Lösungen bei Atlas Copco. Welche Kompressoren sind für welche Anforderungen am effizientesten?
Wir sprachen mit ihr über Schrauben- und Drehkolbengebläse für Anwender aus den unterschiedlichsten Branchen – von der Baustoffindustrie bis zur Kosmetikherstellung.
Frau Grzeskowiak, welche Kunden fragen hauptsächlich Niederdruckgebläse und -kompressoren bei Ihnen an?
Unsere Kunden sind hauptsächlich industrielle Anwender, die aus den unterschiedlichsten Branchen kommen. Unsere Gebläse werden zum Beispiel in der Baustoffindustrie eingesetzt, um Schüttgut zu fördern und LKWs zu entladen. Ebensolche Anwendungen gibt es in der Lebensmittelindustrie – oder auch in der Produktion von Haushaltspflegeprodukten oder Kosmetika. Erst kürzlich haben wir eine Druckluftstation unseres Kunden Unilever in Mannheim modernisiert. Am Standort wird die Luft für die Förderung von Rohstoffen eingesetzt, die das Unternehmen für die Produktion von Waschstücken benötigt. Der Kunde hat seine alten Drehkolbengebläse eines Wettbewerbers durch unsere ZS-Schraubengebläse ersetzt – und spart damit ein Drittel seiner Energiekosten für die Station ein.
30 Prozent der Energiekosten? Wie ist eine solche Ersparnis mit Niederdruckgebläasen möglich?
Insgesamt sind Drehkolbengebläse zwar zuverlässige Maschinen, aber das Verdichtungsprinzip ist schon physikalisch nicht besonders effizient – oder bestenfalls in einem ganz eng umrissenen Druckband. Dieser Maschinentyp wird normalerweise hauptsächlich von Kunden angefragt, die in erster Linie auf die Investitionskosten achten. Um auf Dauer wirtschaftlich zu arbeiten, sollte man aber die Total Costs of Ownership zugrunde legen, also die Gesamtkosten über die Lebensdauer. Dazu gehören neben den Beschaffungs- und Installationskosten auch solche für Wartung und Betrieb der Anlage. Und die Betriebskosten, hier vor allem die Energiekosten, stellen in der Regel den Löwenanteil. Daher ist die Effizienz so wichtig, um Stromkosten zu sparen. Mit den effizienteren Schraubengebläsen können wir diese Kosten drastisch senken.
Soviel mehr Effizienz ist einfach durch die Technologie der Schraubengebläse möglich?
Nicht nur. Die Drehkolbenmaschinen beim Kunden waren einerseits wohl in die Jahre gekommen. Andererseits kommt als Effizienzfaktor noch die Drehzahlregelung der ZS-Schraubengebläse mit dem Kürzel „VSD“ hinzu. VSD heißt „Variable Speed Drive“ und bedeutet, dass diese Maschinen mit einem Frequenzumrichter ausgestattet sind. Durch die Regelung der Motordrehzahl wird immer nur dann und in exakt der Menge Luft erzeugt, wie diese auch gerade benötigt wird. Das spart eine Menge Energiekosten. Im Vergleich zu einer Station ohne Drehzahlregelung mit schlechter Auslastung kann auch das allein im Einzelfall schon bis zu 30 Prozent ausmachen. Unsere neuen Schraubengebläse mit Permanentmagnetmotor, die wir 2020 auf den Markt bringen, werden sogar noch etwas effizienter arbeiten.
Gibt es für Kunden Anhaltspunkte, ab wann sich ein Schraubengebläse rechnet? Also, ab wann die höheren Investitionskosten durch die Einsparungen wieder hereingeholt werden?
Unsere technischen Verkaufsberater führen auf Wunsch Berechnungen durch, wie hoch das Einsparpotenzial jeweils ist, wenn ein Unternehmen seine alten Gebläse durch solche mit neueren Technologien ersetzt. Es ist relativ häufig, dass Kunden wie zum Beispiel Unilever noch Drehkolbengebläse im Einsatz haben und einen so hohen Luftverbrauch, der auf jeden Fall die Investition in effizientere Maschinen rechtfertigt.
Haben denn Drehkolbengebläse heute überhaupt noch eine Berechtigung, wenn sie so wenig effizient sind?
Doch, das haben sie, wenn die nötigen Druckerhöhungen bei etwa 250 bis 450 Millibar liegen. Kunden, die wenig Luft brauchen, sind dann mit unseren Drehkolbengebläsen gut bedient. Das sind robuste, zuverlässige Maschinen. Wir haben sogar kürzlich unsere alte ZL-Baureihe komplett modernisiert, so dass jetzt auch VSD-Varianten verfügbar sind, also ZL-Drehkolbengebläse mit integrierter Drehzahlregelung. Vorher musste der Frequenzumrichter außerhalb des Gebläses installiert werden, wenn der Kunde die Drehzahl regeln wollte. Mit den neuen Varianten spart er jetzt Installationskosten und Zeit. Diese Flexibilität, dass Anwender unsere Drehkolbengebläse mit fester oder variabler Drehzahl oder für den Anschluss eines externen Frequenzumrichters als Standard-Lösung wählen können, bieten nicht viele unserer Wettbewerber. Und Flexibilität anzubieten wird heute immer wichtiger.
Weshalb wird Flexibilität in der Anwendung von Kompressoren immer wichtiger? Gibt es hierfür ein konkretes Beispiel?
Ja. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass unsere ZE-Schraubenkompressoren, die Drücke von 1 bis 4,5 bar bedienen, häufig auch für OEMs interessant sind und für Anlagenbauer, die unsere Kompressoren in ihre Anlagen integrieren. Bei diesen Kunden ist es häufig der Fall, dass sie selbst eine externe übergeordnete Steuerung haben, mit der alle Geräte in der Anlage kontrolliert werden. Oder, dass sie einen eigenen Motor einbauen möchten. Jetzt gibt es daher den ZE 3S, den wir im April 2019 auf der Powtech in Nürnberg erstmals vorgestellt haben. S bedeutet „Smart“. Bei diesem Modell können Frequenzumrichter und Motorstarter – oder auch der komplette Motor – einfach rausgelassen werden.
Ging das vorher nicht, dass Komponenten weggelassen wurden?
Schon – aber nicht als günstige Standardlösung. Bisher konnten wir solche Anfragen zwar bedienen, aber das „Weglassen“ von Komponenten war für uns auch wieder ein Aufwand, der mit Kosten verbunden war. Jetzt kann der Kunde flexibel wählen, in welcher Ausstattung der ZE am besten zu seinem Projekt passt. Ob mit Motor oder ohne, mit oder ohne Drehzahlregelung, mit oder ohne Starter – alle Varianten zählen bei uns als Standardlösungen. Wir freuen uns, dass wir auf diese Nachfrage von OEMs und Anlagenbauern wettbewerbsgerecht reagieren können. Zusätzlich konnten wir beim ZE 3S durch ein neues Schraubenelement bei der Effizienz sogar noch einmal eine Schippe drauflegen.